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Landrätin zur Flüchtlingspolitik: Freistaat hat versagt!

Der Landkreis Schmalkalden-Meiningen hat die Flüchtlingspolitik des Freistaates seit Ausbruch des Ukraine-Krieges kritisiert. „Wenn man das Agieren der zuständigen Ministerien und des Landesverwaltungsamtes heute mit dem koordinierten und entschlossenen Handeln in der Flüchtlingskrise 2015 vergleicht, kann man nur zu einem Schluss kommen: Das Land hat seine Hausaufgaben diesmal nicht gemacht“, bleibt Landrätin Peggy Greiser bei ihrer Meinung. Dass mit Einbruch des Winters aufgrund der Zuspitzung der humanitären Situation in der Ukraine die Flüchtlingsströme wieder zunehmen, sei absehbar gewesen. „Das Land hat den Sommer verschlafen und keine Vorkehrungen getroffen, damit wir die Situation gemeinsam meistern können“, so die Landrätin. Einer der Hauptkritikpunkte: Seit dem Frühjahr habe der Landkreis immer wieder Kontakt zu den Landesbehörden gesucht und um Klärung dringender Fragen gebeten.

Bis heute wurden mehrere Schreiben nicht beantwortet. Insbesondere für die von zahlreichen Landkreisen geforderten Investpauschalen zur Schaffung von Wohnraum fehlen bis heute verbindliche Zusagen. „Wir hätten seit dem Frühjahr 2022 zahlreiche nicht genutzte oder angebotene Objekte entsprechend den Anforderungen des Landes zur Flüchtlingsunterbringung herrichten können“, sagt die Landrätin. 2015 hingegen habe das Land schnell reagiert, Investpauschalen ausgezahlt und zusätzliche Puffermöglichkeiten in Erstaufnahmeeinrichtungen und weiteren Landesimmobilien geschaffen. „Heute hören wir, dass Letzteres nicht möglich ist, weil das Land keinen Caterer oder Betreiber für Kapazitätserweiterungen findet. Dass ein Bundesland in einer solche Krise nicht in der Lage ist, eine zusätzliche Erstaufnahmeeinrichtung an den Start zu bringen, ist mehr als traurig und zeigt einmal mehr das Versagen zwischen den Ministerien und dem Landesverwaltungsamt.“, wettert Greiser. Notfalls müsste das Land eigenes Personal abordnen oder einstellen. „Ich wünschte hier auch klare Ansagen von Ministerpräsident Bodo Ramelow, der 2015 noch omnipräsent war. Heute weiß die eine Landesbehörde nicht, was die andere macht bzw. verweist auf den jeweils anderen“, so Greiser weiter. „Wir haben doch die Erkenntnisse von 2015, wie gutes Krisenmanagement funktionieren kann. Das Land macht heute aber genau das Gegenteil.“ Hinzu kommt eine Verteilung der Flüchtlinge in Thüringen, die völlig intransparent ist, eine „grottenschlechte Kommunikation der Landesbehörden mit der kommunalen Basis nach Gutsherrenart“ und widersprüchliche Aussagen etwa zu den Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl.

Der bisherige Tiefpunkt der Zusammenarbeit mit dem Land wurde in der vergangenen Woche erreicht, als das Landesverwaltungsamt von heute auf morgen einen Transfer mit 50 Flüchtlingen zum Folgetag ankündigte, obwohl das Landratsamt Schmalkalden-Meiningen dem Thüringer Landesverwaltungsamt bereits am 14. Oktober 2022 mitgeteilt hat, dass im Landkreis keine kurzfristigen Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete aus der Ukraine sowie aus anderen Herkunftsländern mehr vorhanden seien – trotz regelmäßiger Aufrufe in der Öffentlichkeit, Gespräche mit Wohnungsbau- und Immobilienunternehmen sowie zahlreichen Dienstberatungen mit Bürgermeistern. „Partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht für uns anders aus“, so Greiser.  Sie wertet dies eher als ein Misstrauen gegenüber der kommunalen Familie, die bisher in Thüringen zusammen mit unzähligen Ehrenamtlichen und freiwilligen Helfern die aktuelle Flüchtlingskrise weitestgehend allein gewuppt hat.“ Bisher hat der Landkreis rund 1.340 Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht, zwischenzeitlich wohnte ein Großteil privat bei Bürgerinnen und Bürgern, auch aktuell leben noch mehr als 400 Ukrainerinnen und Ukrainer bei Privatleuten. „Wenn die Solidarität des Landes nur halb so groß wäre, wie die der Bevölkerung, wären wir einen großen Schritt weiter“, konstatiert die Landrätin. Der Bevölkerung gebühre höchster Respekt und großer Dank, denn ohne diese Solidarität, wäre der Landkreis schon viel früher nicht mehr aufnahmefähig gewesen.

Die Unterbringungssituation im Landkreis Schmalkalden-Meiningen ist weiterhin sehr schwierig, wenn nicht sogar dramatisch. Und das Land hat trotz Aufnahmestopp des Landkreises bereits weitere Transfers in dieser Woche angekündigt. „Der Wohnungsmarkt gibt auch unter intensiven Kontakten mit Wohnungsbauunternehmen und Kommunen kurzfristig nichts mehr her. Erweiterungen befinden sich aber in der Umsetzungsphase – allerdings sind hierfür Baumaßnahmen notwendig, die entsprechende Zeit und finanzielle Mittel in Anspruch nehmen. Finanzielle Mittel, die der Landkreis jedoch nicht hat. Insofern fordert die Landrätin weiter vom Land, wie 2015, Investitionspauschalen endlich auf den Weg zu bringen. Grundsätzlich gilt im Landkreis, dass wir ohne finanzielle Zusagen des Landes nur nachhaltige, maß- und sinnvolle Maßnahmen einleiten, um Wohnraum zu schaffen.“ Gesetzt den Fall einer sofortigen Investitionspauschale könnten neue Kapazitäten in relevantem Umfang, die mit größerem baulichem Aufwand verbunden sind, aufgrund der Vorlaufzeit dann frühestens zum zweiten Quartal des nächsten Jahres geschaffen werden.

Unterbringung in Turnhallen

„Eine längerfristige Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen haben wir bislang stets abgelehnt und nur als äußerste Notlösung in Betracht gezogen“, sagt Greiser. „Weil wir einerseits eine menschenwürdige Unterbringung anstreben, aber auch den Schul- und Vereinssport nach der langen Pandemiezeit nicht wiederholt beeinträchtigen wollen.“ Aufgrund des kompromisslosen Verhaltens des Freistaats ist der Landkreis aber nun gezwungen, eine Turnhalle für eine längerfristige Unterbringung startklar zu machen: Ab Januar sollen in der Sporthalle der Berufsbildenden Schule für Gesundheit und Soziales in Schwallungen rund 160 Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden. „Damit ist für uns das Worst-Case-Szenario eingetreten, einerseits aus humanitären Gesichtspunkten und zum anderen, weil die Vereine, aber auch der Schul- und Kitasport betroffen sind“, so die Landrätin. Die Landrätin weiß aber auch, dass einige andere Landkreise in Thüringen bereits seit Monaten vermehrt Turnhallen zur Unterbringung nutzen. Man befinde sich nun daher in intensiven Gesprächen mit den benachbarten Kommunen von Schwallungen, um Ausgleichsmöglichkeiten für den Vereinssport zu schaffen. Der Schulsport, so die Befürchtung der Landrätin, wird wohl bis auf unbestimmte Zeit nicht möglich sein. „Letztlich sind es das Versagen der Landesregierung, die fehlende Kommunikation und fehlendes Krisenmanagement sowie fehlende Investitionsmittel, die nun erneut Einschnitte beim Vereins- und Schulsport hervorrufen“, so Greiser weiter. Bis Mitte Dezember ist in Schwallungen noch Vereins- und Schulsport möglich, dann wird das Herrichten der Turnhalle als Flüchtlingsunterkunft beginnen. „Wir werden mit den Vereinen persönlich in Kontakt treten und arbeiten im Landratsamt mit Hochdruck daran, alternative Hallenzeiten, wenn auch an einem anderen Ort, zu generieren.“

Andererseits möchte die Landrätin wiederholt an die Bevölkerung appellieren und um Verständnis bitten. „Wir haben es mit nie dagewesenen Herausforderungen für Verwaltung und Gesellschaft zu tun und werden an der einen oder anderen Stelle nicht um Einschnitte im Alltag umhinkommen“, so die die Landrätin wörtlich.

Auch die Unterbringung in der Turnhalle in Schwallungen ist grundsätzlich, wie zuvor die zeitweise Nutzung der Multihalle in Meiningen als vorübergehendes Ankunftszentrum, nicht als Dauerlösung geplant. Ein Zeitfenster kann jedoch aktuell nicht genannt werden. In Meiningen war neben dem Vereinssport zusätzlich der Schulsport von allgemeinbildenden Schulen betroffen.