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Landkreis kürt erneut herausragende Klimahelden

Der Klimawandel lässt sich schon jetzt kaum noch aufhalten – wenn wir nicht schleunigst aus den fossilen Brennstoffen aussteigen. Das wurde zur diesjährigen Kreisenergiekonferenz im BTZ Rohr-Kloster mehr als deutlich. „Das 1,5-Grad-Ziel ist akut gefährdet“, zitierte Harry Ellenberger, Vorsitzender der Jury für die Preisverleihung, aus dem jüngsten Weltklimabericht. „Wir befinden uns auf der Überholspur zur Klimakatastrophe in eine von Menschen unbewohnbare Welt. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit“, so die alarmierenden Worte des Sachbearbeiters Energie- & Breitbandausbau im Landratsamt. Selbst bei Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles werde der Meeresspiegel deutlich steigen. Jetzt nicht genügend gegen den Klimawandel zu tun, sei deshalb die teuerste Alternative.

Landrätin Peggy Greiser erklärte, dass die aktuellen Diskussionen um steigende Energie- und Kraftstoffpreise sowie die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zeigten, dass dringend über moderne, alternative und dezentrale Energiekonzepte nicht nur nachgedacht werden dürfe, sondern auf diesem Gebiet dringender Handlungsbedarf bestehe. Der Landkreis setze auf ein hochmodernes Energiemanagementsystem, das zu weiteren Einsparungen geführt habe. Fast alle kreiseigenen Gebäude seien energetisch auf dem aktuellsten Stand. „Wir sollten überlegen, was man jetzt tun muss, damit auch nachfolgende Generationen noch gute Lebensbedingungen auf der Erde vorfinden“, so Greiser eindringlich. Es sei vielsagend, dass es Privatleute und Unternehmen sind, die sich hier zuvörderst Gedanken machen und investieren, dafür gilt es Dank zu sagen. 

Zwei Preise und drei Anerkennungen vergeben

Dass Klimaschutz erfolgreich funktionieren kann, zeigen die vorbildlichen Initiativen lokaler Klima-Vorreiter. Diese wurden im Rahmen der Kreisenergiekonferenz, die alle zwei Jahre gemeinsam vom Landkreis, der Handwerkskammer Südthüringen und der Rhön-Rennsteig-Sparkasse ausgerichtet wird, abermals ausgezeichnet. In diesem Jahr prämierte die aus Experten bestehende Jury zwei herausragende Vorreiter und vergab zudem drei Anerkennungen. 

Den Preis in der Kategorie Unternehmen sicherte sich Sven Fricke aus Schmalkalden, der mit seinem Team ein flexibel einsetzbares und erweiterbares Büro und Wohngebäude – den PV Energy Cube – entwickelt hat. Nicht nur auf dem Dach des futuristischen Gebäudes befindet sich eine PV-Anlage. Auch die mit speziellen Modulen ausgestattete Fassade verwandelt sich bei Sonne in ein kleines Kraftwerk. Abgerundet mit einem Batteriespeicher, 3-Fach-Verglasung und heimischem Holz als nachwachsendem Baustoff ein innovatives und nunmehr preisgekröntes Konzept, das mit 1.500 Euro dotiert wurde.

 

 

Ebenfalls ein absolutes Vorzeigeprojekt in der Kategorie „Unternehmen“, das die Jury mit einem Preis versah: Die solare Eigenenergieanlage auf Wasserstoffbasis von Alfred Katz aus Brotterode-Trusetal. Angetrieben von der Sonne über Photovoltaik-Module auf dem Dach, wird der Solarstrom via Elektrolyse als grüner Wasserstoff ganzjährig nutzbar gemacht. Das mit Stromspeicher ausgestattete und ebenso als Insellösung sogar bei Stromausfällen funktionierende System ist nicht nur klimafreundlich, sondern ermöglicht auch eine nahezu komplette Energieautarkie. Leider ist der Wirkungsgrad bei der Wasserstoffherstellung aktuell noch relativ niedrig, wie Alfred Katz zuvor in seinem Vortrag anmerkte. Doch der Visionär, der seit vielen Jahren auf Sonnenergie setzt, machte ebenso deutlich: „Auch die ersten Verbrennungsmotoren waren längst nicht so effizient wie die heutigen.“ Er favorisiere Wasserstoff als umweltfreundlichen Energieträger. Speicherung sei das eigentliche Thema der Energiewende, denn allein die Sonne stelle mehr Energie zur Verfügung, als die gesamte Menschheit benötige. Katz erhält vom Landkreis ein Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro.

Nachahmenswerte Beispiele

Eine Anerkennung in Höhe von 100 Euro erhielten Frauke und Dirk Paul aus Meiningen, die einen Carport mit PV-Anlage und Speichertechnik errichteten und ein E-Auto anschafften – eine klimafreundliche und nachahmenswerte Maßnahme – so die Jury. 250 Euro erhielten Angelika und Hartwig Huhn aus Christes, die in ihrem Eigenheim die alte Ölheizung durch ein Pellet-System ersetzten und dies mit einer Solarthermieanlage ergänzten. Zudem bauten sie neuen Hocheffizienzpumpen ein und erweiterten ihren Pufferspeicher. Anerkannt wurde von der Jury auch die Maßnahme von Manfred Schubert aus Vachdorf, der für Eigenheim und Unternehmen eine PV-Anlage ans Netz brachte, überschüssigen Strom zur Warmwasseraufbereitung nutzt und auf Bio-Gas-Fernwärme umgestiegen ist. Er erhielt 500 Euro als Prämie.

Zuvor hatten alle Redner, die Erfordernis der Energiewende deutlich gemacht. Moderator Dr. Dirk Schramm machte in seinem Eingangsstatement deutlich, dass bei der neuen Ausbauplanung die Erneuerbaren Energien deutlich Zuwachs erhalten sollen. So soll die jährliche Ausbaurate bei Photovoltaik verdreifacht, bei Windenergie an Land und auf dem Meer verdrei- bis verfünffacht werden. Besonders interessant: Der Experte verwies darauf, dass sich in den Fernwärmenetzen zu DDR-Zeiten bereits 50 Prozent Wasserstoff befand – damals allerdings brauner Wasserstoff – also aus Braunkohle gewonnen. Die Netze wären somit mit geringeren Anpassungen für diesen Energieträger geeignet.

Bauen unter modernen Gesichtspunkten

Die Vorsitzende der Rhön-Rennsteig-Sparkasse, Annette Theil-Deininger betonte, dass nachhaltiges Bauen, schon seit vielen Jahrzehnten ein Thema bei der Sparkasse sei. Bauen werde beim Kreditinstitut im Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und sozialen Fragestellungen gedacht. „Wir müssen natürlich auf Kostenentwicklungen schauen, wir wollen aber auch unseren Beitrag leisten und unter modernen Gesichtspunkten bauen. Für uns bedeutet sozial auch, dass wir unsere Bauvorhaben in der Region realisieren“, so die Sparkassen-Chefin. Zudem bestünde eine sehr gute Zusammenarbeit mit regionalen Energieberatern. „Wir weisen Kunden auf diese Themen hin, auch wenn diese dann natürlich die Entscheidung treffen müssen.“ 

Diplom-Ingenieur Uwe Wirthwein referierte über die Vorzüge von Naturbaustoffen wie Flachs, Hanf, Lehm oder natürlich Holz. „Naturbaustoffe haben zum Teil bessere Eigenschaften“, erläuterte er. Diese hätten gute Dämmwerte, sorgten für ein gutes Raumklima, brächten ökologische Vorteile in Sachen Wiederverwertung mit sich und kämen in der Regel ohne chemische Zusätze aus. Statt mit Ziegeln könne man beispielsweise auch mit ungebrannten Lehmsteinen bauen. Diese behielten die positiven Eigenschaften von Lehm und besäßen luftgetrocknet gute Druckeigenschaften. „In Kombinationen mit Holz hätten wir

ein Haus, das komplett dem Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann. Wenn wir nur mit Baustoffen arbeiten, die auf der Deponie landen, kann das auf Dauer nicht funktionieren. Die Ressourcen sind begrenzt“, so Wirthwein.

Thüringen  ohne grünen Rückenwind

Professor Dr. Nobert Krah warf einen Blick zurück. Mit seiner FBF – Forschungs- & Bildungs- Fördergesellschaft entwickelte er zu Beginn der 2000er Jahre ein Energiekonzept für den Landkreis – ein damals einmaliges Projekt in Deutschland. In dem Konzept wurden nicht nur der Einsatz erneuerbarer Energien untersucht und Handlungsempfehlungen gegeben, sondern beispielsweise auch energetische Schwachstellen in öffentlichen Gebäuden, umweltfreundliche Verkehrstechnik und künftige Bedarfsentwicklung untersucht. Dass nun mehr 32 PV-Anlagen auf kreiseigenen Dächern Energie liefern, sei auch auf das Konzept zurückzuführen, was ebenfalls in dieser Dimension einzigartig sein dürfte. Sein großes Sorgenkind sei die Windenergie in Südthüringen, sagte Krah. „Ohne Windenergie – das kann sich Thüringen nicht erlauben“, kritisierte er die zaudernde Landespolitik. „Andere Bundesländer sind viel weiter. Thüringen droht zu einer Terra incognita – einem unbekannten Land in Sachen Windkraft – zu werden.“

Zu wenig Unterstützung für Eigenversorger

Michael Bickel, Energieberater der Handwerkskammer Südthüringen, erläuterte Neuigkeiten zum Klimapaket 2022. Die Bundesregierung habe nachgelegt: Aktuelles Ziel sei Klimaneutralität bis 2045, dafür stelle man acht Milliarden on Top für Zusatzinvestitionen und fünf Milliarden für Gebäudesanierung und Heizungsaustausch zusätzlich bereit. Das Klimasofortprogramm bis 2025 umfasst somit 93 Milliarden für folgende Bereiche: Gebäude, Industrie, Mobilität, Verkehr, Bundesliegenschaften, Energie- und Landwirtschaft. Er kritisierte aber die Maßnahmen als nicht ausreichend, um die CO-2-Einsparziele zu erreichen. „Das ist keine Zukunftssicherung, der Staat müsste vielmehr die Eigenversorgungsbemühungen von Bürgern unterstützen“, so Bickel. PV-Anlagen sollten auf die Dächer, nicht unbedingt auf Freiflächen. Ein geringerer Aufwand beim Netzausbau und Vorzüge für die Elektromobilität wären die positive Folge. Leider seien aber nur Erhöhungen der PV-Einspeisevergütung für Volleinspeiser geplant, nicht Selbstversorger. Zudem gab Bickel einen Überblick über aktuelle Fördermöglichkeiten für konkrete Maßnahmen und Beratungsmöglichkeiten.  

Alexander Ladwig, Geschäftsführer Bildungscampus BTZ Rohr-Kloster und Gewerbeförderung, stellte das BTZ als eine der größten und innovativsten Aus- und Weiterbildungszentren im Handwerk mit mehr als 6000 Teilnehmern vor. Er machte deutlich, dass angesichts der Dimensionen der Einrichtung das Thema Energie auch für das BTZ eine wichtige Rolle spiele. Im Dreiklang „Beraten, Bilden, Informieren“ und spiele das Thema auch bei der Aus- und Weiterbildung eine große Rolle.

Alle Präsentationen der Kreisenergiekonferenz zur Übersicht: 

Präsentation zu den Preisträgern und Projekten: Energiesparpreis 2022