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Gründertalk in der Rhön-Rennsteig-Sparkasse

Von „magischen Tricks“ und „kritikwürdigen Kainsmalen“

Der Landkreis ist auf einem guten Wege, seine Klimaziele zu erreichen – zumindest, wenn es um ein fruchtbares Klima für Existenzgründer geht. Diesen Eindruck konnte man beim Gründertalk am 14. März im Kabinett der Rhön-Rennsteig-Sparkasse gewinnen. „Die Hilfe ist auf jeden Fall da. Gerade hier im Landkreis, gibt es davon mehr als woanders. Das macht Mut“, sagte etwa Stefanie Lümpert  vom Thüringer Rhönhaus in Oberweid. Sie hatte als Nachfolgegründerin den großelterlichen Gastbetrieb 2016 übernommen. Auch Robert Ilgen, der sich in Schwallungen als Architekt selbstständig gemacht hat und dafür aus Berlin zurück in die Heimat kehrte, rief zur Nachahmung auf: „Man sollte es wagen. Man ist hier im Landkreis nicht allein auf weiter Flur.“ In Berlin gebe es besipielsweise keinen Gründungszuschuss. Diesem Lob für die Wirtschaftsförderung des Landkreises und ThEx Enterprise, die zusammen mit den Wirtschaftsjunioren Schmalkalden-Meiningen zum Gründertalk eingeladen hatten, schlossen sich auch die weiteren Teilnehmer der Podiumsdiskussion an: Steffi Hess, die in Floh-Seligenthal eine Praxis für Hand- und Ergotherapie gründete und Metin Günbeyi. Der gebürtige Türke eröffnete im vergangenen November in Meiningen mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau einen Hundefrisör-Salon.  

„Im Landkreis ist man nicht allein“

 „Wir haben immer ein offenes Ohr für Unternehmertum, das gilt auch für die Gremien des Landkreises“, sagte Landrat Peter Heimrich in seinem Grußwort. Man fördere als Landkreis  Existenzgründer und habe in der Vergangenheit die Regularien gelockert, so dass nun auch direkte Lohnkostenzuschüsse bis insgesamt maximal 5.000 Euro möglich sind. „Wir sind stolz und froh, dass wir den Existenzgründerzuschuss haben und ich werde anregen, dass dies auch künftig so beibehalten wird“, versprach Heimrich. Kritik übte der Landrat an der verächtlichen Haltung in Deutschland, wenn Gründer und Pioniere scheitern. „Die Großen in den USA sind alle mindestens einmal gescheitert. In Deutschland trägt man immer gleich das Kainsmal auf der Stirn“, befand der Kreischef. „Das schönste, was man in Deutschland ernten kann, ist Neid – aber eben auch ganz schnell Spott, wenn man mit einer Idee scheitert“, stellte der Landrat fest. Aber dies sei kein Problem, ein Problem sei es nur, wenn man nicht wieder aufsteht und weitermacht.

Landrat: „Aufstehen und weitermachen!“

Eine bessere Steilvorlage für Dr. Steffen Adler, der dem zahlreich erschienenen Publikum verrückte Wege zum Wunschdenken aufzeigte, hätte es wohl kaum geben können. „Ich habe selbst mehrere Unternehmen in die Pleite geführt – eigene Unternehmen und Unternehmen, bei denen ich Anteile hatte.“ Schnell merkte der heute erfolgreiche Unternehmensberater aus Jena, dass die Hinweise aus Fachliteratur für Gründer in der Praxis oft nicht viel taugten. Die Problemstellung sei heute die satten Kunden hungrig auf die eigenen Produkte zu machen. Hierzu müsse man zunächst definieren, welche Zielgruppen man selbst als Wunschkunden definiere. „Schließe Kunden aus“ – lautete Alders unkonventionelle Empfehlung. Hier nannte er das Beispiel eines Rockerbusses, den sich Nachwuchsbands für einen spektakulären Auftritt mieten können. „Eine Volksmusikband würde sich den nicht ausleihen.“ Auch die Werbeagentur „Pritty Wummen“, eine auf Frauen und „Männer mit Mut“ spezialisierte Kreativschmiede sei nach diesem Prinzip äußerst erfolgreich – ebenso wie der T-Bone Tea – eine Art Instant-Steak-Brühwürfel für 2,50 Euro pro Stück. Bei der Markteinführung sei der T-Bone Tea ausverkauft gewesen. Mit einem unbekannten Angebot gelte es die Aufmerksamkeitsschwelle zu überwinden, dann Interesse zu erzeugen und eine Bauchentscheidung für den Kauf herbeizuführen. „Die zweite wichtige Regel heißt: Mach Dich unverzichtbar.“ Im vergangenen Jahr habe es ein relativ einfaches Vertriebsrezept gegeben: „Klebe ein Einhorn auf ein Produkt und verkaufe es für das doppelte“, so Adler, dieser Trend sei aber nun vorüber. Häufig helfe ein wenig Magie, die man – so die dritte Regel – nutzen sollte. Beliebt ist es beispielsweise Luxusprodukte für bestimmte Zwecke anzupassen und dann für das Doppelte zu verkaufen – ein Beispiel sei der mit einer Kordel ausgestattete Schifftauf-Champagner für 200 Euro. Details zu betonen, sei ein weiterer Trick. So wie bei der knallgelben Wimperntusche, die sich doppelt so gut verkaufe, wie andere Produkte im Sortiment. Ein gerne genutzter Trick der Marketingbrache ist das Setzen eines sogenannten Referenzrahmens. „Unser Hirn orientiert sich gerne“, erklärte Adler. Daher sei es erfolgversprechend wenn man ein Produkt für einen bestimmten Preis verkaufen möchte, ein billigeres und ein teureres Produkt anzubieten. „Einige Restaurants konnten 30 Prozent mehr der anvisierten Gerichte verkaufen, in dem sie ein Schweinefilet für 30 Euro auf die Speisekarten gesetzt haben“, berichtete der Unternehmensberater.

„Nutze Magie!“

Seinen Tipps lauschten die aktuellen und kommenden Existenzgründer im Publikum aufmerksam. Im Podium diskutierten die vier Jungunternehmer dann über die größten „Downs“, über Business-Pläne oder unvorhergesehene Probleme. „Ich kann jedem nur raten: Schreibt alles auf, jede verrückte Idee – irgendwann braucht man die mal“, sagt Wirtin Stefanie Lümpert ins Publikum. „Und bildet euch immer weiter. Man sollte immer auch Blick behalten, was die anderen so machen.“ Die Gastronomin hatte besonders in der Anfangszeit mit dem Personaleinsatz, Büroarbeit und Fachkräfteproblemen zu kämpfen. Ergotherapeutin Steffi Hess hat es sozusagen mit zwei Wunschkunden zu tun: Mit Ärzten und Patienten. Beide Zielgruppen seien in der Kundenakquise zu bedenken. „Hier muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen und versuchen mit Kompetenzen zu glänzen“, so Hess. Von Flauten berichteten auch die anderen Gründer. Hundefrisör Metin Günbeyi fand im Januar einen nahezu leeren Salon vor. In der Innenstadt habe gespenstische Ruhe geherrscht. Dafür seien im März die Terminbücher schon wieder voll“, freute er sich. In den Dörfern im Umkreis von Meiningen habe man bereits viele Kunden gewonnen. Auch Architekt Robert Ilgen musste nach Verzögerungen bei einem Projekt eine „Sauregurkenzeit“ überstehen, als mit dem Fortgang auch die Zahlungen stockten. Ihm half die freie Tätigkeit für seinen vormaligen Arbeitgeber, ein Berliner Planungsbüro, um diese Durststecke zu überstehen. Die Entscheidung zur Existenzgründung hat aber bisher noch keiner der Jungunternehmer bereut. „Hier habe ich alles selbst in der Hand und kann neue Wege gehen“, sagte etwa Steffi Hess.

 

„In Deutschland trägt man gleich das Kainsmal auf der Stirn“ – Landrat Peter Heimrich übte beim Gründertalk Kritik an der in Deutschland verbreiteten Kultur, gescheiterte Gründer zu stigmatisieren

 

 

 

Foto Titel: Kathrin Kern Ludwig (l.) und Dr. Steffen Adler (r.) befragten die Existenzgründer Metin Günbeyi (3.v.l.), Steffi Hess, Robert Ilgen und Stefanie Lümpert.